14.07.2010
Nationalfeiertag! Trotzdem bekommen wir
in einer
Boulangerie in der Rue de Noyon unser morgendliches Baguette. Nach
einem
ausgedehnten Frühstück verlegen wir wieder in den Port
d’Amont und füllen
unseren Brauchwasservorrat auf. Als der Tank voll ist und wir ablegen
wollen,
springt die Maschine nicht an. Vielleicht haben wir zu kurz
vorgeglüht, oder
die Kraftstoffpumpe feiert den Nationalfeiertag? Nach einiger Zeit, wir
wollen
gerade die Locaboat-Basis anrufen, um technische Hilfe anzufordern, hat
unser
Bordingenieur dann doch noch Erfolg, und aus dem Maschinenraum
hören wir ein
sonores Diesel-Brummen. Endlich legen wir ab und
fahren
flussabwärts in großem Bogen durch die Stadt. Vor
der Schleuse am Port d’Aval (dem unteren Hafen)
haben wir eine weitere halbe Stunde Aufenthalt, bis der
Schleusenwärter
endlich
erscheint. Als wir aus der Schleuse ausfahren, ist es bereits so
spät, dass wir
die nächste Schleuse (Montières) vor der Mittagspause nicht
mehr schaffen
können. Frank hatte uns bei der Einweisung davor gewarnt, auf der
Strecke bis
Montières oder gar dort anzulegen. Das sei eine schlechte
Gegend. Also legen
wir im Port d’Aval an. Dieser Hafen besteht nur aus einem kleinen
Schwimmsteg
für genau ein Boot und bietet keinerlei Versorgungseinrichtungen.
Wir nutzen
die Mittagszeit für einen Spaziergang im Quartier St. Leu und
essen dort gut in
der Crêperie “Tante Jeanne” zu Mittag.
Unterdessen hat es
angefangen heftig zu regnen. Auf dem
Boot haben wir uns erst mal trockene Klamotten angezogen und keiner hat
richtig
Lust, noch mal raus in den strömenden Regen zu gehen, um beim
Ablegen die
Tampen zu lösen oder beim Schleusen die Leinen zu halten. Weil der Regen aber
gar nicht aufhören will, brechen wir dennoch auf.
Diesmal nimmt unser Motor
klaglos seinen Dienst auf.
Zusätzlich schiebt uns die beachtliche Strömung die Somme
hinunter. An engen
Stellen erreicht sie geschätzte 3 km/h. Uns fällt auf, dass
heute wesentlich
mehr Plastikmüll im Wasser treibt. Scheinbar wird der Müll
von den
Uferböschungen durch den erhöhten Wasserstand vom Fluss
mitgerissen. Hinter
Ailly sur Somme schießt aus einem Rohr eine dubiose braune
Flüssigkeit in den
Fluss und bildet einen ekligen, braunen Schaum auf der
Wasseroberfläche. Ob
vielleicht die Kläranlage des Ortes mit den Wassermassen aus dem
Starkregen
nicht fertig wird und einfach in den Fluss hinein
überläuft? Wir vertrauen auf
die Selbstreinigungskraft der Somme und fahren weiter stromabwärts. Abends legen wir am kleinen Schwimmsteg von
Samara an. Wir haben Glück, dass der Steg frei ist, denn mehr als
ein Hausboot
findet hier keinen Platz. Der Regen hat inzwischen aufgehört, und
wir machen
einen Spaziergang hinüber zum Eingang des archeologischen
Parks, um uns
nach den Öffnungszeiten morgen früh zu erkundigen.
15.07.2010
Die Nacht war fantastisch
ruhig an diesem einsamen
Liegeplatz. Die nächste Boulangerie ist zwei km entfernt in
Picquigny. Also
nehmen wir die Fahrräder, um unser Frühstücksbaguette zu
besorgen.
Um kurz nach zehn Uhr
betreten wir den Samara-Park durch
das Arboretum und den botanischen Garten. Die Sümpfe lassen wir
rechts liegen,
weil es schon höchste Zeit ist für die Führung, die um
elf Uhr im sogenannten
Pavillon beginnt. Auf dem Weg durch das Ausstellungsgebäude werden
wir auf
unterhaltsame Weise mit der Lebens- und Wohnsituation der Menschen in
Mittlerer- und Altsteinzeit, der Kelten- und der galloromanischen Zeit
konfrontiert. Im Freien schließen sich “Les Animations” an,
Hütten in denen
normalerweise alte Handwerke, wie schmieden, weben und töpfern,
live demonstriert
werden. Momentan hat nur der Schmied Dienst, der aber gerade erst dabei
ist,
die Glut anzuheizen. Wir gehen also weiter und erreichen das Terrain
der
“Réconstructions”. Hier sehen wir die Fortschritte der Baukunst
von
der
fellgedeckten Jurte aus der Steinzeit über das keltische Langhaus,
in dem bis
zu 30 Menschen und das Vieh unter einem Dach gehaust haben, bis zur
gallo-römischen Dorf-Architektur. Als wir das Oppidum (die
Original-Ausgrabung
einer römischen befestigten Siedlung) suchen, stoßen wir auf
eine Installation
von mehreren Aeolsharfen. Eine steife Brise entlockt den Instrumenten
mystische Klänge.
|
|
|
|
|
|
Das Oppidum haben wir nicht
wirklich gefunden, jedenfalls
nicht das, was wir uns unter einer römischen Siedlung vorstellen.
Wir haben
auch sonst lange nicht alles gesehen, was es ins Samara zu sehen gibt,
aber wir
haben hier fast drei Stunden zugebracht und wollen doch heute noch bis
Abbeville
kommen.
Jetzt ist also “Kilometer fressen” angesagt. Statt
Mittagessen gibt es während der Fahrt ein Sandwich auf die Faust.
Die Städtchen Long und Pont Remy wären sicher einen Halt
wert,
werden aber einfach ignoriert.
Wir genießen im Vorbeifahren die herrliche Landschaft und die
Einsamkeit auf
der Somme, die in vielen engen Windungen talwärts strömt. Wir
sind rechtzeitig
an der Schleuse von Pont Remy, der letzten, die uns von unserem
Tagesziel
trennt und erreichen wenig später Abbeville. An der Anlegestelle
ist kein
Platz mehr frei, und so machen wir etwas flussabwärts mit
Erdnägeln an
der Böschung fest. Auf der Suche nach einem Restaurant queren wir
die gesamte
Innenstadt. Am Place Générale Charles de Gaulle werden
wir endlich
fündig.
16.07.2010
Der Himmel hat sich wieder
eingetrübt. Am Steg ist ein
Platz freigeworden und wir verlegen das Boot, um ein letztes Mal den
Wassertank
aufzufüllen. Nachdem wir auch die essbaren Bestände aus dem
nahegelegenen
Carrefour ergänzt haben, gehen wir in die Stadt, um uns die
berühmten
Manessier-Glasfenster in der Kirche Saint Sépulcre anzuschauen.
Ein
Weg, der
sich wirklich lohnt! Alfred Manessier hat hier nicht nur ein oder zwei
sondern
wirklich alle Fenster der Kirche aufeinander abgestimmt gestaltet.
Nur noch eine
Schleuse, vier Drehbrücken und der dreizehn km lange, schnurgerade
Seekanal
trennen uns von der Locaboat-Basis in Saint Valery, als wir am
Nachmittag
ablegen. Dass manche Schleusen manuell bedient werden, kennen wir
schon, dass
aber auch die viele Tonnen schweren Drehbrücken von Hand
bewegt werden, haben
wir nicht erwartet. Zwei Männer heben mit langen Hebelstangen die
Brücke
hydraulisch ein wenig an, bis die Auflagen an den beiden Enden frei
sind, dann
stecken sie die Hebelstangen in eine senkrechte Welle, die über
ein Getriebe
auf das Drehlager der Brücke wirkt. Die Beiden müssen viele
Male im Kreis um
die Welle herumlaufen, bis die Brücke aufgeschwenkt ist. Nachdem
wir die
Öffnung passiert haben, müssen sie alles genau so mühsam
zurückdrehen. Klar,
dass wir nach der vierten Brücke anlanden, um den beiden ein
ordentliches
Trinkgeld zu bringen. Nachdem wir das zweite Auto aus Cappy geholt
haben,
dinieren wir im Restaurant Le Moulin beim Carrefour.
Wir haben die
andere
Spezialität der Picardie zum Dessert: Gateau Battu. Es
schmeckt alles
hervorragend, aber man muss viel Zeit mitbringen, zumindest wenn das
Restaurant
voll besetzt ist.
|
|
|
16.07.2010
Nach dem Restefrühstück
übergeben wir das Boot problemlos an Cedric, den Chef der
Locaboatbasis Cappy, der extra dafür nach Saint Valery gekommen
ist. Am rechten Flussufer führt ein schöner Fußweg auf
der Deichkrone entlang bis zum Leuchtturm. So begleiten wir die Somme
auf ihren letzten Metern bis zum Meer und genießen die herrliche
Aussicht über das Wattenmeer. Hier in der Baie de la Somme gibt es
bei L'Hourdel eine Seelöwen- Beobachtungsstation mit
Besucherfernrohren.
|